Eine Zeitlang
beschäftigte sich Eulenspiegel damit, daß er von Universität zu Universität
zog, sich überall als Gelehrter ausgab und die Professoren und Studenten
neckte. Er behauptete, alles zu wissen und zu können.
Und er
beantwortete tatsächlich sämtliche Fragen, die sie ihm vorlegten. Bei dieser
Gelegenheit kam er schließlich nach Erfurt. Die Erfurter Studenten und ihr
Rektor hörten von seiner Ankunft und zerbrachen sich den Kopf, was für eine
Aufgabe sie ihm stellen könnten. "Denn so wie denen in Prag", sagten
sie, "soll es uns nicht ergehen. Er soll nicht uns, sondern wir wollen ihn
hineinlegen."
Endlich fiel
ihnen etwas Passendes ein. Sie kauften einen Esel, bugsierten das störrische
Tier in den Gasthof "Zum Turm", wo Eulenspiegel wohnte, und fragten
ihn, ob er sich zutraue, dem Esel das Lesen beizubringen.
"Selbstverständlich",
antwortete Till. "Doch da so ein Esel ein dummes Tier ist, wird der
Unterricht ziemlich lange dauern." "Wie lange denn?" fragte der
Rektor der Universität.
"Schätzungsweise
zwanzig Jahre", meinte Till.
Und hierbei
dachte er sich: Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Bis dahin stirbt vielleicht
der Rektor. Dann geht die Sache gut aus. Oder ich sterbe selber. Oder der Esel
stirbt, und das wäre das beste.
Der Rektor war
mit den zwanzig Jahren einverstanden.
Eulenspiegel
verlangte fünfhundert alte Groschen für seinen Unterricht. Man gab ihm einen
Vorschuß und ließ ihn mit seinem vierbeinigen Schüler allein. Till brachte das
Tier in den Stall. In die Futterkrippe legte er ein großes altes Buch, und
zwischen die ersten Seiten des Buches legte er Hafer. Das merkte sich der Esel.
Und um den Hafer zu fressen, blätterte er mit dem Maul die Blätter des Buches
um. War kein Hafer mehr zu finden, rief der Esel laut: "I-a, i-a!"
Das fand Eulenspiegel großartig, und er übte es mit dem Esel wieder und wieder.
Nach einer Woche ging Till zu dem Rektor und sagte: "Wollen Sie bei
Gelegenheit einmal mich und meinen Schüler besuchen?" "Gern",
meinte der Rektor.
"Hat er denn
schon einiges gelernt?"
"Ein paar
Buchstaben kann er bereits", erklärte Eulenspiegel stolz. "Und das
ist ja für einen Esel und für eine Woche Unterricht allerhand."
Schon am
Nachmittag kam der Rektor mit den Professoren und Studenten in den Gasthof, und
Till führte sie in den Stall. Dann legte er ein Buch in die Krippe. Der Esel,
der seit einem Tag kein Futter gekriegt hatte, blätterte hungrig die Seiten des
Buchs um. Und da Eulenspiegel diesmal überhaupt keinen Hafer ins Buch gelegt
hatte, schrie das Tier unaufhörlich und so laut es konnte: "I-a, i-a,
i-a!" "I und A kann er schon, wie Sie hören", sagte
Eulenspiegel.
"Morgen
beginne ich damit, ihm O und U beizubringen."
Da gingen die
Herren wütend fort. Der Rektor ärgerte sich so sehr, daß ihn bald darauf der
Schlag traf. Und Till jagte den Esel aus dem Stall. "Scher dich zu den
anderen Erfurter Eseln!" rief er ihm nach.
Dann schnürte er
sein Bündel und verließ die Stadt noch am selben Tag.
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